Bodenversiegelung – Durch das geplante Industriegebiet nördlich der B41 sollen viele Hektar guter Ackerboden versiegelt und somit zerstört werden
31. Dezember 2020 - by Alexander Kersten Aktuelles
Bodenversiegelung bedeutet, dass der Boden luft- und wasserdicht abgedeckt wird, wodurch Regenwasser nicht mehr versickern kann und auch der Gasaustausch des Bodens mit der Atmosphäre behindert wird. Unser Boden hat vielfältige Funktionen. Die Versiegelung hat schlimme Folgen für Mensch und Natur, da der Boden seine wichtigen Aufgaben als Bestandteil des Naturhaushalts nicht mehr erfüllen kann. Boden filtert und speichert das Wasser, ist Lebensgrundlage, Anbaufläche für unsere Nahrung und hat zudem eine klimatische Ausgleichsfunktion. Hier wird hochwertiger Boden abgegraben. Die Bodenstruktur sowie die natürliche Bodenfruchtbarkeit werden dauerhaft vernichtet, da Wasser, Sauerstoff und Licht den Boden nicht mehr erreichen. Dem Leben im Boden, welches ebenso Grundlage für die Landwirtschaft ist, wird der Raum entzogen.
Durch die Bodenversiegelung erfolgt auch ein erheblicher Eingriff in den Grundwasserhaushalt. Mit dem Entzug des Wassereintrages in den Boden wird dieser in seiner Struktur dauerhaft negativ verändert. Regenwasser kann nicht mehr versickern und die Grundwasservorräte auffüllen, die Grundwasserneubildung wird lokal und regional negativ beeinflusst.
Da die Trinkwasserversorgung von Bad Sobernheim aus dem Grundwasser gedeckt wird, gebührt dem Grundwasserschutz oberste Priorität. Das geplante Industriegebiet liegt in unmittelbarer Nähe einer Trinkwasserschutzzone, welche zur Versorgung der gesamten Stadt beiträgt.
Außerdem fließt durch die Versiegelung Wasser auf der Oberfläche wesentlich schneller ab. Die schadensfreie Ableitung des anfallenden Oberflächenwassers aus dem geplanten Gewerbegebiet ist zurzeit nicht geklärt. Grundsätzlich steigt dadurch das Risiko, dass bei starken Regenfällen das entsprechende System zur Ableitung die oberflächlich abfließenden Wassermassen, bis hin zum Vorfluter Nahe selbst, nicht fassen können und es somit wahrscheinlich öfter zu örtlichen Überschwemmungen kommt. Dies könnte über das Ableitungssystem z. B. in der Monzinger Straße zu Problemen führen und über die Nahe bis zum anderen Ende der Stadt an der Staudernheimer Straße. Eine zu planende Rückhaltung des Regenwassers sollte zum Schutz der Unterlieger eine hohe Wiederkehrzeit (mindestens 30jähriges Ereignis) erhalten.
Des Weiteren sind durchaus negative qualitative sowie quantitative Auswirkungen auf die Gewässerökologie zu erwarten. Im Falle einer Havarie besteht die erhöhte Gefahr das verschmutzte Abwässer in die Nahe gelangen. Es ist auch zwingend darauf zu achten, dass aus den versiegelten Oberflächen kein Wasser aus verunreinigten Oberflächen zum Abfluss in den Vorfluter gelangen darf. Wir blicken auf die Rückstände des Brandes am Polymer Stammwerk an der Westtangente aus dem Sommer 2019, die Ende 2020 noch nicht entsorgt sind und sind gespannt, wann und wie dies geschieht. Ebenso gespannt sind wir auf die Konzepte, welche für einen solchen Fall in einem neuen Industriegebiet mit Hanglage über Wohngebieten bereitgehalten werden.
Der Boden ist Standort und Lebensraum für Vegetation und Tierwelt. Durch das geplante Industriegebiet werden die Wanderkorridore der Flora und Fauna unterbrochen und die Landschaft zerschnitten. Die versiegelten Flächen verursachen eine Trennung, wodurch zahlreiche frei lebende Tiere in ihrer Bewegungsaktivität eingeschränkt werden und mittelfristig ein Artenrückgang beschleunigt wird. Durch die Errichtung eines Industrieparks mit künstlich errichteten Bauwerken immenser Größenordnungen wird das Landschaftsbild nachhaltig zerstört.
Auch das Kleinklima wird durch die Versiegelung im geplanten Industriegebiet deutlich negativ beeinflusst werden. Bei Niederschlägen wird bei naturbelassenen Böden über die Pflanzenverdunstung wieder Feuchtigkeit an die Atmosphäre abgegeben und somit zur Kühlung der bodennahen Luftschichten beigetragen. Von versiegeltem Boden kann jedoch kein Wasser verdunsten und somit im Sommer nicht zur Kühlung der Luft in Richtung Stadt beitragen. Durch die Versiegelung dieser Flächen wird im Stadtgebiet ein schnelleres Aufheizen tagsüber und eine geringere Abkühlung in der Nacht bewirkt werden, mit der Folge einer Überwärmung in den Sommermonaten. Durch die fehlende Vegetation und die hinzukommenden Abgase wird zudem die Luft trockener und die Feinstaubbelastung höher werden, da keine Pflanzenverdunstung mehr erfolgen kann und neue Luftschadstoffe hinzukommen.
Eine einmal hergestellte Bodenversiegelung wäre nur schwer und dann mit hohen Kosten wieder zu beseitigen. Nach einer Entsiegelung bleibt die Struktur des Bodens gestört. Nicht selten bleiben Fremdstoffe (z. B. Asphaltreste, Kunststoffsplitter oder diverse Schadstoffe) im Boden zurück. Eine neue Bodenfauna bildet sich nur über sehr lange Zeit wieder und meist nicht in der Ur-Qualität.
Durch den 24h-Bretrieb eines solchen Gebietes ist zudem eine erhebliche Lichtverschmutzung zu Lasten von Mensch und Natur zu befürchten.
Die hier geplante Bodenversiegelung von 30 ha stellt mit den schädlichen Bodenveränderungen einen Verstoß gegen das Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG) dar, da erhebliche Nachteile und Belästigungen sowohl für den Einzelnen als auch für die Allgemeinheit zu erwarten sind.
Grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass nach dem Vorsorgeprinzip mehr für den Schutz der Gesundheit d9er gesamten Bevölkerung der Stadt Bad Sobernheim und den Umweltschutz getan werden mus9s, nicht für die einzelnen Interessen von Industrieunternehmen.
Das Vorhaben steht dem Bestreben nach Minimierung von Flächenverbrauch entgegen – eine Kompensation ist anschließend nicht mehr möglich. Das BBodSchG verfolgt das Ziel, nachhaltig die Funktionen des Bodens zu sichern und Beeinträchtigungen seiner natürlichen Funktionen zu vermeiden. Schädliche Bodenveränderungen sind abzuwehren, der Boden ist zu schützen. Der Boden soll nicht durch ein Industriegebiet verunreinigt werden, welches künftig dann belasteten Boden (keine Altlasten, sondern Neulasten) oder sonstige Gefahren für die Allgemeinheit mit sich bringen wird. Hierbei muss auch Europäisches Recht Beachtung finden, für den Bodenschutz einschlägige Bestimmungen enthalten insbesondere die Richtlinie über Industrieemissionen (IED), die Abfallrahmenrichtlinie und die REACH-Verordnung. Die IED verlangt von dem Betreiber einer Industrieanlage, dass er vor Aufnahme der Tätigkeit einen Bericht über den Zustand des Bodens und Grundwassers erstellt. Nach Beendigung der Tätigkeit ist zu prüfen, ob sich der Zustand verschlechtert hat. Wenn dies der Fall ist, muss der Betreiber den Ausgangszustand wiederherstellen. Für den Bodenschutz relevante Vorschriften ergeben sich zudem aus dem Bau- und Raumordnungsrecht. Gemäß Baugesetzbuch soll mit Grund und Boden schonend und sparsam umgegangen werden. Diese Grundsätze sind insbesondere bei der Bauleitplanung zu berücksichtigen. Unter anderem ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung für das Vorhaben als unerlässlich anzusehen. Sollte ein Bebauungsplan erstellt werden, wird eine landespflegerische Begleitplanung mit Eingriffs- und Ausgleichregelungen Bestandteil sein müssen.